Es pfeift im Tunnel. Das Mühleggbähnli nimmt gerade eine Steigung von bis zu 24,7 Prozent in Angriff. Die Bahn überwindet im Hochbetrieb in 100 Sekunden eine Strecke von 322 Metern Länge und 71 Metern Höhe. Das Rauschen in der Fahrkabine kommt den über zehn Fahrgästen gerade recht. Sonst würde hier im Bähnli das Schweigen peinlich auffallen. Prompt wird es unangenehm leise beim Näherkommen an die Perron-Kante der Bergstation. Kommt das Bähnli endlich zum Stillstand, eilt das schweigende Dutzend aus der Kabine, huscht durch den Warteraum und bleibt draussen an der frischen St.Georgen-Luft erst einmal stehen.
An der Bergstation drückt ein Bub seine Nase gegen die Scheibe und beobachtet fasziniert, wie das Mühleggbähnli in den Tunnel verschwindet. Ein anderes Kind wiederum, das nur Augenblicke später mit seiner Mutter hinauffährt, will das Licht einschalten. «Hier drücken», erklärt die Mutter. Doch die LED- Scheinwerfer gehen nicht an. «Kaputt», diagnostiziert das Kind. Und Mama macht ein zerknirschtes Gesicht. Hätte ihr Kind nur einen Moment später den Knopf gedrückt, hätte die Beleuchtung ihren Dienst getan und die Tunnelseitenwände samt Notausstiegen und Graffitis beleuchtet. Nimmt das Bähnli bergwärts Fahrt auf, dauert es jeweils ein Weilchen, bis der Lichtknopf betätigt werden kann. Erst ab einer Entfernung von circa 40 Metern zum unteren Tunnelportal, wie es bei den VBSG auf Anfrage heisst. «Dadurch werden die Anwohner bei der Talstation nicht durch die Scheinwerfer geblendet», lautet die doch einleuchtende Erklärung.
Manchmal entsteht beim Bähnlifahren ein ganz grundlegendes Problem. Offenbar ist nicht allen bekannt, dass die Fahrkabine per Knopfdruck gerufen werden muss. Der geneigte Bähnli-Benutzer erkennt derlei Fahrgäste sofort. Dann zum Beispiel, wenn bei der Talstation Banger die digitale Tafel vier Minuten anzeigt und sich Leute im Wartesaal befinden. Den dort herumschauenden Gästen ist nicht bewusst, dass sie die Fahrkabine an der Bergstation mit offener Tür stehen lassen. Haben sie Glück, stossen Einheimische dazu, die Licht ins Dunkel bringen. Drücken jedoch oben andere Fahrgäste den Fahrtknopf, lernen die Anfänger das Rufprinzip der Mühleggbahn womöglich nie.
Doch auch unter den etwas fortgeschritteneren BähnliBenutzer*innen können Missverständnisse entstehen. So fährt das Bähnli etwa nicht eher ab, wenn man in der Fahrkabine den Knopf zwei Mal drückt. Nach der ersten Knopfbetätigung verharrt die Kabine immer noch eine Minute mit offener Türe, ehe ein Signal ertönt und die Mechanismen zur Abfahrt ausgelöst werden. Doch die «Doppel-Drücker» haben wenigstens – auch in Coronazeiten – Verantwortung übernommen und sich die Mühe gemacht, den Fahrtknopf zu drücken. Es gibt auch eine nicht zu unterschätzende Gruppe von «Knopfdruck-Ver- weigerern». Warum diese Fahrgäste am Knopf vorbeischleichen und sich gerade in diesem Moment auf etwas komplett anderes konzentrieren müssen, hat unbestimmte Gründe.
Die Mühleggbahn scheint seit dem Umbau im Jahr 2018 beliebter geworden zu sein. Dies mag mit den nun grösseren und moderneren Warteräumen oder auch mit der breiteren Bahnöffnung zu tun haben. Der stirnseitige Ein- und Ausstieg macht es vor allem für Bahnbenutzer*innen mit Velos oder Kinderwagen leichter. An der Ein- und Aussteigezeit hat sich laut den VBSG allerdings nichts geändert. Und ein Anstieg an Passagieren sei ebenfalls nicht zu verzeichnen. Die Mühleggbahn, seit 1893 fürs Fussvolk im Einsatz, erfüllt ihren Dienst zu Betriebszeiten so oder so. Einzige Ausnahme: an Tal- und Bergstation will partout niemand drücken. So bewegen sie wieder nichts, diese Drückeberger.