Volle Flaschen fürs frohe Fest

Vor Weihnachten ist die Zeit der Firmenfeste – und des Festbiers der Brauerei Schützengarten. Im Oktober wurden die ersten Flaschen mit dem Spezialbier befüllt. Eine Flasche Festbier steht für zweierlei Dinge.

Wer durch diese Türe geht, braucht Ohropax. Zumindest kann man sich im Treppenhaus vor dem Eingang entsprechender Pfropfen bedienen. Drinnen, im ersten Stockwerk des Abfüllgebäudes auf dem Areal der Brauerei Schützengarten, herrscht Hochbetrieb. Mensch und Maschine arbeiten Hand in Greifer, um zehntausende Flaschen innert kurzer Zeit zu reinigen, zu füllen und mit Etiketten am Flaschenhals, -bauch und -rücken zu bekleben. Es ist Ende Oktober, die Schützengarten AG bereitet sich auf das Weihnachtsgeschäft vor. «Eigentlich nicht die Hauptzeit des Biertrinkens», sagt Marketingchef Roger Tanner in der Halle. Um dennoch auf Hopfen und Malz «gluschtig» zu machen, fährt die Brauerei eine altbewährte Strategie: Mit dem Festbier kommt pünktlich vor Weihnachten und vor Ostern eine saisonale, «mild gehopfte» Bierspezialität auf den Markt. Ein Bier, das dem geneigten Lagerbiertrinker als Geschenk feilgeboten wird. Der Preis ist derselbe wie jener des Lagerbiers. Die zusätzlichen 0,4 Prozent Alkohol und die Zusatzkosten zur Herstellung werden quasi geschenkt, der Konsumentin zurückgegeben. Am 26. Oktober kann nach über sechs Wochen Lagerzeit der erste Tank dieser Saison geleert werden; vom Filterkeller wird das Bier bei bis zu minus zwei Grad Celsius zur Abfüllung geleitet, wo es in einem Zwischentank, einem Puffer, «beruhigt» wird.

Gebrauchte Lagerbierflaschen vor der Reinigung.

LAUGENBÄDER, DRUCKLUFT UND EIN «KARUSSELL»

Ob der tausend Flaschen, die in Reih und Glied hin und her und in alle Richtungen transportiert werden, ist nicht sofort zu erkennen, wo der Prozess beginnt und wo er aufhört. Einen Hinweis geben etikettierte Flaschen, die sich auf einem Lochblech auf Kopfhöhe sammeln. Da befinden sich nicht nur gelb etikettierte Flaschen des Lagerbiers, sondern auch jene mit ganz anderen Etiketten. Doch woher die Flaschen stammen, spielt jetzt keine Rolle mehr. Im Inneren der Reinigungsmaschine werden in mehreren Laugenbädern die Etiketten gelöst und die Flaschen gereinigt.

Dank des Mehrwegsystems werden die Flaschen bis zu 50 Mal verwendet. Die älteren Exemplare fallen mit einem weissen Streifen unterhalb des Flaschenhalses auf. Diese Abnutzungsspur entsteht gerade eben in der Abfüllerei. Auf den Transportbändern ruckelt es ein wenig, und die Glasflaschen rauen sich durch die Berührungen an diesen Stellen gegenseitig auf. Scuffing, nennen Expert*innen diesen Vorgang. Nun nähern sich die vorhin gesäuberten Flaschen der Abfüllmaschine. Auf dem Weg dorthin werden sie zuerst durch die sogenannten Leerflascheninspektoren abgelichtet. Diese überprüfen die Flaschen auf Fremdgebinde, Unversehrtheit, Alter und absolute Sauberkeit. Weicht eine Flasche von den vorgegebenen Werten ab, wird sie automatisch aus dem Vorgang ausgeschieden. Später gelangt sie zum Recycling und wird in einer Glashütte zu einer neuen Bierflasche geformt. Nun werden die Flaschen vom Band genommen und einer zylinderförmigen Vorrichtung übergeben. Während sich diese wie ein Karussell dreht, wird die Flasche befüllt. Am Ende der Drehbewegung kommt die Flasche mit einem Bierhäubchen ins Transportsystem zurück. Läuft die Anlage auf Hochtouren, können bis zu 28 000 Flaschen in einer Stunde abgefüllt werden. Doch dafür muss bei jedem Arbeitsschritt mindestens eine Person dabei sein, damit für Kontrolle und Nachschub gesorgt ist. Nach dem Deckelverschluss und einer weiteren Lichtkontrolle gelangen die Biere zur Etikettieranlage. Wie an vielen anderen Stellen kommt auch hier Druckluft zum Einsatz. Mit Unterdruck wird jede einzelne Etikette angesogen und mithilfe hochpräziser Anlagentechnik sowie Nassleim auf den Flaschen angebracht. 50 000 Mal werden heute alle Vorgänge wiederholt. Die erste Charge des Festbiers wird somit an einem Nachmittag fertiggestellt. Die Flaschen gelangen dank eines breiten Roboterarms in die Harassen. Diese wiederum werden auf Paletten gehievt. 20 Flaschen pro Harasse, 30 Harassen pro Palette.

Braumeisterin Regina Süss.

ARBEITEN IM LABOR

Bevor das Bier in die Abfüllerei geleitet wird, durchläuft es einen bis zu zweimonatigen Brauprozess. Der eigentliche Brauvorgang, der Sud, dauert circa acht Stunden, danach folgt eine elftägige Gärung und eine bis zu sechswöchige Kaltreifung. Damit das Festbier einen erhöhten Alkoholgehalt von 5,2 Prozent aufweisen kann, braucht es mehr Stammwürze, also mehr vergärbaren Malzzucker. Für den richtigen Geschmack, fürs Einhalten aller wichtiger Parameter sind Brauer und Braumeisterinnen zuständig. Geprüft wird zum einen direkt beim Kessel mit einer sensorischen Kontrolle. Daneben gibt es automatische Überwachungen, die bei einer Abweichung der Parameter einen Alarm auslösen. Zudem kommen verschiedene Messgeräte in einem Labor zur Anwendung. Dort arbeitet unter anderen Braumeisterin Regina Süss. Sie ist seit vier Jahren bei der Brauerei Schützengarten und dürfte bereits eines der bekannteren Gesichter der Brauerei sein. Schliesslich ist sie auf den Werbeplakaten der aktuellen Kampagne zu sehen. «Ich lebe noch nicht so lange hier», sagt die 30-Jährige leicht verschmitzt. Darum sei es für sie in Ordnung, auf Plakaten gesehen zu werden. «Es kennen mich hier ja nicht viele», sagt sie und wendet sich im Labor wieder ihren Proben zu. Inzwischen sind die Festbierflaschen befüllt, die erste Charge ist für die Festzeit parat. Wie alt die Rezeptur des Biers ist, lasse sich leider nicht mehr sagen. Aber das Rezept mit dem Festbierverkauf, das geht seit Jahrzehnten auf.

Flaschen für einen guten Zwecken.
SPENDENFREUDIGE BRAUEREI

«Achtung, mit OhO-Klebern», lautet ein Hinweis in der Abfüllerei der Schützengarten AG. Das Festbier, das im Oktober für Weihnachten abgefüllt wurde, dient nämlich einem zusätzlichen Zweck. Fünf Rappen pro verkaufte Flasche gehen an die Spendenaktion Ostschweizer helfen Ostschweizern (OhO). Bei jeweils über 100 000 Festbierflaschen um die Weihnachtszeit ergibt sich jährlich ein Spendenbeitrag von circa 6000 Franken. Die Brauerei sei von Anfang an bei der OhO-Weihnachtsaktion dabei gewesen, heisst es bei den Verantwortlichen. Doch die Spendenfreudigkeit der Schützengarten AG geht weiter zurück als zu den Anfängen von OhO im Jahr 2005. Bereits in den Krisenjahren der 1930er leistete die Schützengarten AG Beiträge an bedürftige Personen in der Stadt und auf dem Land. Den Grundstein
für dieses Engagement legte der damalige Inhaber Arnold Billwiller. Der erfolgreiche Geschäftsführer wandelte die Brauerei in eine AG um, elektrifizierte das Unternehmen, steigerte den Gewinn und vermachte in seinem Testament 1928 grosse Vergabungen an Gemeinden für soziale Zwecke. Er legte laut Verwaltungsratspräsident Christoph Kurer damit auch den Grundstein für die ArnoldBillwiller-Stiftung, die heute noch jährlich mehrere Projekte im sozialen und kulturellen Bereich unterstützt. (ses)

Kleinbrauerei mit Lokal: Marco Hermann und Gianluca Bernet
«HERMANN» SETZT AUF STÄRKE

Unbeeindruckt von Corona und entsprechenden Schwierigkeiten in der Gastronomie, haben die Bierbrauer Marco Hermann (links) und Gianluca Bernet diesen Frühling an der Lämmlisbrunnenstrasse einen neuen Braukeller bezogen und darüber gleich ein Bierlokal eröffnet. Natürlich biete man auch dort zur Weihnachtszeit Spezialbiere an. «Derzeit ist gerade ein Doppelbock in Gärung», heisst es auf Anfrage Ende Oktober. In den kälteren Monaten seien die stärkeren Biere gefragt, erklärt Gianluca Bernet. Und man habe auch schon getestet, wie gut Biere mit Gewürzen wie Koriander ankommen. Im Sommer hingegen sei auch einmal ein Bier mit weniger als vier Prozent Alkohol gefragt. Das Weihnachtsgeschäft hat für die Hermann-Brauerei eine wachsende Wichtigkeit. «Heutzutage werden gerne Kisten mit einer Auswahl von verschiedenen Bieren verschenkt», stellt Bernet fest. Bier habe in den vergangenen Jahren eine neue Bedeutung bekommen. Nicht umsonst sei die Biervielfalt heute so gross, sagt Bernet. Bei «Hermann» könne man seine Bierauswahl gleich selber zusammenstellen. Als Bierträger diene aber keine Kiste, sondern eine Jutetasche. (ses)